Angst, einen geliebten Menschen zu verlieren

Es gibt Ängste, die sind Ausdruck von Liebe. Nicht aus Schwäche geboren, sondern aus Verbundenheit. Aus Dankbarkeit. Aus dem Wissen, was man aneinander hat und was man verlieren würde. Ich weiß, wovon ich spreche. Wenn man so viele Jahre Seite an Seite durchs Leben gegangen ist, durch Höhen und Tiefen, durch Stürme und Sonnentage, dann ist man nicht einfach nur „verheiratet“. Nein, dann ist man tief verbunden, Herz an Herz, Seele an Seele. Dann reicht ein Blick, ein Lächeln, eine Berührung und man weiß: Hier bin ich zu Hause.
Ich schaue meine Frau an, nach all den Jahren, und ich sehe nicht nur die Frau, die ich geheiratet habe, ich sehe unser Leben. Unsere Geschichte. Die Spuren, die wir gemeinsam hinterlassen haben. Die Tränen, die wir getrocknet haben. Das Lachen, das wir geteilt haben. Sie ist Teil von mir und ich bin Teil von ihr. Und genau deshalb spüre ich manchmal diese stille, tiefe Angst. Die Angst, dass sie eines Tages vielleicht nicht mehr neben mir aufwacht. Dass ich ihre Stimme nicht mehr höre. Dass ich ihre Hand nicht mehr halten kann.
Diese Angst nimmt mir manchmal den Atem. Nicht weil ich schwach bin, sondern weil ich so tief liebe. Und ich habe gelernt: Diese Angst darf da sein. Sie zeigt mir nur, wie wertvoll unsere Liebe ist. Sie erinnert mich daran, nichts als selbstverständlich zu nehmen. Jeden Tag bewusst zu leben. Noch einmal mehr zu sagen: „Ich liebe dich.“ Noch einmal mehr zu danken, dass wir noch beieinander sind.
„Zwei sind besser als einer … denn wenn sie fallen, hilft der eine dem anderen auf.“
(Prediger 4,9–10)
Ich habe gelernt: Gott kennt diese Angst und er sieht dich darin
Es mag uns überraschen, aber: Gott kennt dieses Gefühl sehr gut. Er weiß, wie sich Trennung anfühlt. Er weiß, wie es ist, jemanden zu lieben, mit einer unendlichen, selbstlosen Liebe und doch mit der Möglichkeit, ihn zu verlieren. Das ganze Evangelium ist durchdrungen davon.
„Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab …“
(Johannes 3,16)
Gott liebt uns so sehr, dass er uns loslassen musste. Und Jesus? Er wusste, dass er am Kreuz sterben würde, für die, die er liebt. Er kennt den Schmerz, zurückzubleiben, das Herz, das zerreißt, die Angst in Gethsemane, das Weinen über den Tod seines Freundes Lazarus.
„Jesus weinte.“ (Johannes 11,35)
Das ist der kürzeste Vers der Bibel und einer der tief durchdringt. Er zeigt: Jesus versteht deine Tränen.
Die Angst zulassen und nicht verdrängen
Viele Menschen versuchen, solche Ängste zu unterdrücken.
„Denk nicht so negativ!“, sagen sie.
„Glaub einfach!“ – „Mach dir nicht so viele Sorgen!“ – „Wird schon gutgehen.“
Oft meinen sie es gut. Manchmal sagen wir es auch zu uns selbst, weil wir nicht wissen, wohin mit diesen Gefühlen. Doch in Wirklichkeit helfen solche Sätze wenig. Sie überdecken die Angst, aber sie lösen sie nicht.
Denn die Angst bleibt, nur eben im Verborgenen. Sie versteckt sich hinter einem Lächeln, einem betont optimistischen Ton, oder dem hektischen Versuch, den Alltag einfach weiterzumachen. Aber innerlich nagt sie. Und sie kann schwerer wiegen, wenn wir sie nicht zulassen dürfen. Denn unterdrückte Angst wird nicht kleiner – sie wird nur leiser, aber tiefer.
Ich habe gelernt: Es ist kein Zeichen von Unglauben, wenn ich Angst habe. Es ist menschlich. Es gehört zu unserer Zerbrechlichkeit. Und gerade dort – in dieser Ehrlichkeit – beginnt der Weg zu echter Freiheit. Denn Gott lädt uns nicht dazu ein, mutig zu tun, sondern mutig zu ihm zu kommen.
„Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“
(Matthäus 11,28)
Gott sagt nicht: „Reiß dich zusammen!“
Er sagt: „Bring mir dein Herz. So wie es ist. Mit allem, was dich belastet.“
Das ist das Wunderbare an unserem Glauben: Wir dürfen unsere Angst nicht verstecken, sondern ehrlich machen. Wir dürfen weinen, klagen, zweifeln – und dabei gleichzeitig glauben, dass Gott uns nicht ablehnt, sondern aufnimmt. Er ist kein ferner Beobachter unserer Kämpfe. Er ist der Tröster inmitten unserer Angst.
„Ich suchte den HERRN, und er antwortete mir und rettete mich aus allen meinen Ängsten.“
(Psalm 34,5)
„Wirf dein Anliegen auf den HERRN, und er wird dich versorgen.“
(Psalm 55,23)
„Sorgt euch um nichts, sondern bringt in allem durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott.“
(Philipper 4,6)
Du darfst Gott sagen: „Ich habe Angst, meine Frau zu verlieren.“
Du darfst weinen, klagen, ihn bitten. Denn echte Liebe hat nichts mit Kontrolle zu tun, sondern mit Vertrauen.
Was sagt uns Jesus zur Angst vor Verlust?
Jesus begegnet unserer Angst nicht mit Tadel, sondern mit Trost:
„Fürchte dich nicht.“
„In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost: Ich habe die Welt überwunden.“
(Johannes 16,33)
Jesus sagt nicht: „Ihr werdet keine Angst haben“, sondern:
„In eurer Angst bin ich bei euch. Und ich bin größer.“
„Ich bin bei euch – alle Tage.“
„Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt.“
(Matthäus 28,20)
Auch wenn der Weg durch Krankheit, Abschied oder Tod führen sollte – Jesus geht mit. Und er verlässt uns nicht – nicht einen einzigen Tag.
„Der Tod hat nicht das letzte Wort.“
„Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt.“
(Johannes 11,25)
Das ist keine billige Vertröstung. Es ist eine ewige Hoffnung. Deine Frau, du selbst, ihr gehört Jesus. Und er hat den Tod besiegt. Die Liebe, die euch verbindet, ist in Christus verankert. Sie endet nicht mit dem letzten Atemzug.
„Die Liebe hört niemals auf.“ (1. Korinther 13,8)
Gott hat euch ein Geschenk gemacht und wird es bewahren
Es ist kein Zufall, kein bloßes Nebeneinanderher, kein reines Durchhalten. Es ist ein Wunder. Ein Geschenk. Ein gewebtes Kunstwerk aus Zeit, Treue, Geduld, Liebe, Vergebung, Ausdauer – und Gottes Gnade.
Wenn ich zurückblicke, sehe ich nicht nur gemeinsame Erinnerungen, sondern eine Geschichte, die Gott mit uns geschrieben hat. Höhen, in denen wir das Leben gefeiert haben – die Kinder, das Zuhause, das Lachen, die stillen Abende. Und Tiefen, in denen wir kaum wussten, wie es weitergeht – Krankheit, Sorgen, vielleicht auch Zeiten der Stille, der Distanz, der inneren Erschöpfung. Aber immer wieder hat uns etwas zusammengehalten. Nicht nur unsere eigene Kraft. Sondern etwas Größeres. Gott selbst.
„Der HERR hat Großes an uns getan; des sind wir fröhlich.“
(Psalm 126,3)
Und so, wie Gott uns damals durchgetragen hat, als wir nicht wussten, wie der nächste Schritt aussieht, so wird er uns auch weiterhin tragen. Seine Treue hört nicht auf. Seine Liebe hat kein Verfallsdatum. Er kennt unsere Geschichte von Anfang bis Ende. Er hat nicht nur den ersten Schritt begleitet – sondern auch den letzten bereits gesehen. Und zwischen diesen beiden Punkten hält er uns – sicher, fest, liebevoll.
„Auch bis in euer Alter bin ich derselbe, und ich will euch tragen, bis ihr grau werdet. Ich habe es getan; ich will heben und tragen und erretten.“
(Jesaja 46,4)
Wir halten nicht unsere Ehe fest – Gott hält sie.
Wir kontrollieren nicht unsere gemeinsame Zeit – sie liegt in seinen Händen.
Wir wissen nicht, was morgen ist – aber wir wissen, wer morgen schon da ist.
„Meine Zeit steht in deinen Händen.“
(Psalm 31,16)
Und das genügt. Es gibt eine tiefe Geborgenheit in dem Wissen: Wir sind nicht allein. Unsere Geschichte ist eingeschrieben in Gottes Herz. Unsere Liebe bleibt nicht nur in Fotos und Erinnerungen lebendig – sie ist verankert in der Ewigkeit.
Was ich daraus gelernt habe!
Dieser Text erzählt von einer tiefen, lebenslangen Liebe, einer Liebe, die über Jahrzehnte gewachsen ist, getragen von gemeinsamen Wegen, durch Stürme und Sonnenschein. Und aus dieser Liebe heraus entsteht eine besondere Form der Angst: die Angst, den geliebten Menschen zu verlieren. Eine Angst, die nicht aus Schwäche kommt, sondern aus Dankbarkeit und Tiefe. Denn wer wirklich liebt, weiß, was auf dem Spiel steht. Diese Angst ist real – und sie darf da sein.
Viele versuchen, solche Ängste zu verdrängen, mit gut gemeinten Sätzen wie „Wird schon wieder“ oder „Denk positiv“. Doch die Wahrheit ist: Unterdrückte Angst verschwindet nicht – sie versteckt sich nur. Wirklicher Trost kommt nicht durch Verdrängung, sondern durch Ehrlichkeit. Und genau dazu lädt uns Gott ein: Unsere Angst nicht zu verstecken, sondern ihm zu bringen – so wie sie ist, roh, ehrlich, tränenreich.
„Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid.“ (Matthäus 11,28)
Jesus kennt unsere Angst. Er hat selbst geliebt, geweint, losgelassen. Er hat sich von Menschen verabschiedet, den Tod gesehen und das Leiden gespürt. Und er begegnet unserer Angst nicht mit Tadel, sondern mit Trost:
„In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost: Ich habe die Welt überwunden.“ (Johannes 16,33)
„Ich bin bei euch alle Tage.“ (Matthäus 28,20)
Unsere Zeit – auch unsere Ehezeit – liegt in Gottes Hand. Nicht wir halten alles zusammen, sondern Er trägt uns. Vom ersten Tag bis zum letzten. Und darüber hinaus. Selbst wenn wir durch Krankheit, Abschied oder Tod gehen müssen, hat Gott das letzte Wort – nicht die Angst, nicht der Tod.
„Ich bin die Auferstehung und das Leben.“ (Johannes 11,25)
„Die Liebe hört niemals auf.“ (1. Korinther 13,8)
Diese Liebe, die euch verbindet, ist ein göttliches Geschenk. Kein Zufall, kein Verdienst – sondern ein gewebtes Kunstwerk aus Gnade, Treue und Vergebung. Und das Beste: Diese Liebe ist in Christus verankert – stärker als der Tod, lebendiger als jeder Schmerz.
„Meine Zeit steht in deinen Händen.“ (Psalm 31,16)
Deshalb dürfen wir loslassen – ohne zu verlieren. Dürfen lieben – ohne zu kontrollieren. Und dürfen hoffen – ohne zu verdrängen. Denn Gott sieht, hält, begleitet – und führt uns in eine Zukunft, die größer ist als unsere Angst.
Und so bleibt: Tief empfundene Liebe. Ehrlich zugelassene Angst. Und ein unerschütterliches Vertrauen – in den, der alles hält.
EIN GEBET
„Herr, du hast uns einander geschenkt – durch viele Jahre hindurch.
Unsere Liebe ist gewachsen, gereift, durch manches Tal gegangen.
Ich habe Angst, diesen Menschen zu verlieren, den ich so sehr liebe.
Aber ich bringe dir diese Angst.
Ich lege sie in deine Hände, so wie ich auch meine Frau in deine Hände lege.
Du bist größer als der Tod, stärker als jede Angst.
Danke, dass du mit uns gehst – bis zum letzten Tag und darüber hinaus.
Halte unsere Herzen in deiner Liebe.
Amen.“