Altes Testament - Neues Testament Wechselseitigkeit
Wie Altes und Neues Testament einander durchdringen
Ich hätte nie gedacht, wie sehr sich das Alte und das Neue Testament gegenseitig durchdringen.
Früher habe ich die Bibel oft eher als zwei getrennte Bücher sehen, eben das Alte Testament und das Neue Testament. Ich wusste zwar, dass sie irgendwie zusammengehören, aber wie tief dieses Zusammenspiel wirklich geht, das ist mir lange nicht bewusst gewesen. Bis ich zufällig auf eine Stelle gestoßen bin, in der Jesus selbst das Alte Testament zitiert, und zwar als klare Erfüllung von etwas, das hunderte Jahre vorher geschrieben wurde. Und dann fing ich an, genauer hinzusehen. Plötzlich öffnete sich ein völlig neues Bild: Prophezeiungen, die auf Christus hinweisen, Bilder und Ereignisse, die wie Schatten der Dinge sind, die im Neuen Testament offenbar werden. Aber ich muss ehrlich eingestehen, dass es sehr lange gedauert hat, das für mich verständlich nachzuvollziehen.
Das Alte Testament entstand über einen Zeitraum von ca. 1000 Jahren. Die frühestens Texte ca. 1400 v. Chr. Die letzten Bücher sind Maleachi, Daniel, Nehemia, ca. 400–300 v. Chr.
Das Neue Testament entstand im Zeitraum von ca. 45–100 n. Chr. Und abgeschlossen um etwa 100 n. Chr..
Das nun im Neuen Testament Zitate vorhanden sind, die bis zu 1000 Jahre älter sind, ist einfach total spannend.
Weitere wechselseitige Beziehungen
- Vom Alten zum Neuen Testament
1.1 Jesaja 7,14 → Matthäus 1,22-23
Jesaja 7,14: "Darum wird euch der Herr selbst ein Zeichen geben: Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie nennen Immanuel."
Matthäus 1,22-23: "Das ist aber alles geschehen, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht: 'Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben', das heißt übersetzt: Gott mit uns."
Erklärung: Die jungfräuliche Geburt Jesu wird direkt mit Jesajas Zeichen in Verbindung gebracht.
1.2 Micha 5,1 → Matthäus 2,5-6
Micha 5,1: "Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Tausendschaften in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei."
Matthäus 2,5-6: "Sie antworteten ihm: In Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben durch den Propheten: 'Und du, Bethlehem im Lande Juda, bist keineswegs die kleinste unter den Führern Judas; denn aus dir wird kommen der Führer, der mein Volk Israel weiden wird.'"
Erklärung: Der Geburtsort des Messias war prophetisch festgelegt.
1.3 Jesaja 53,3-5 → 1. Petrus 2,24
Jesaja 53,5: "Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt."
- Petrus 2,24: "Der unsere Sünden selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben; durch seine Wunden seid ihr heil geworden."
Erklärung: Jesus wird als leidender Gottesknecht identifiziert.
1.4 Sacharja 9,9 → Matthäus 21,5
Sacharja 9,9: "Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel."
Matthäus 21,5: "Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel."
Erklärung: Jesu Einzug in Jerusalem erfüllt die Prophezeiung.
1.5 Psalm 22,17-19 → Johannes 19,23-24
Psalm 22,18-19: "Sie teilen meine Kleider unter sich und werfen das Los um mein Gewand." Johannes 19,23-24: "Die Soldaten aber ... nahmen seine Kleider und machten vier Teile ... Auch das Untergewand ... sprachen sie: Lasst uns das nicht zerreißen, sondern darum losen ... Damit erfüllt wurde die Schrift: 'Sie haben meine Kleider unter sich geteilt, und über mein Gewand haben sie das Los geworfen.'"
Erklärung: Ein direktes Zitat zur Kreuzigungsszene.
- Vom Neuen zum Alten Testament
2.1 Matthäus 4,4 → 5. Mose 8,3
- Mose 8,3: "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von allem, was aus dem Munde des HERRN geht."
Matthäus 4,4: "Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben (5. Mose 8,3): 'Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.'"
Erklärung: Jesus kontert die Versuchung durch Bibelzitat.
2.2 Lukas 4,18-19 → Jesaja 61,1-2
Jesaja 61,1-2: "Der Geist Gottes des HERRN ist auf mir, ... zu predigen den Gefangenen die Freiheit und den Gebundenen, dass sie frei und ledig sein sollen."
Lukas 4,18-19: "Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat ... zu verkündigen ein angenehmes Jahr des Herrn."
Erklärung: Jesus sagt: Heute ist diese Schrift erfüllt.
2.3 Römer 4,3 → 1. Mose 15,6
- Mose 15,6: "Abram glaubte dem HERRN, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit."
Römer 4,3: "Denn was sagt die Schrift? 'Abraham aber glaubte Gott, und das wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet.'"
Erklärung: Paulus bezieht sich auf Abrahams Glauben als Urbild der Rechtfertigung.
2.4 Galater 3,13 → 5. Mose 21,23
- Mose 21,23: "Ein Aufgehängter ist verflucht bei Gott."
Galater 3,13: "Christus aber hat uns erlöst von dem Fluch des Gesetzes, da er zum Fluch wurde für uns - denn es steht geschrieben: 'Verflucht ist jeder, der am Holz hängt.'"
Erklärung: Jesus trägt den Fluch des Gesetzes stellvertretend.
2.5 Hebräer 10,5-7 → Psalm 40,7-9
Psalm 40,7-9: "Opfer und Gaben gefallen dir nicht ... Siehe, ich komme ... deinen Willen, mein Gott, tue ich gern."
Hebräer 10,5-7: "Darum spricht er bei seinem Kommen in die Welt: 'Schlachtopfer und Gaben hast du nicht gewollt ... Siehe, ich komme ... deinen Willen, Gott, zu tun.'"
Erklärung: Der Autor interpretiert Jesu Hingabe als Erfüllung des Psalmenwortes.
Ist das alles glaubhaft?
Ja, aus theologischer Sicht ist das glaubhaft: Für Juden (in Bezug auf das Alte Testament) und Christen (in Bezug auf beides) ist es zentrale Überzeugung, dass Gott durch Propheten gesprochen hat und dass sich viele dieser Aussagen real, historisch oder geistlich erfüllt haben.
Zum Beispiel:
Micha 5,1 → Geburt in Bethlehem – Jesus wurde dort geboren.
Jesaja 53 → Leidensbeschreibung des Gottesknechts – sehr detailliert, erfüllt in Jesu Passion.
Sacharja 9,9 → Einzug auf einem Esel – Jesus reitet so in Jerusalem ein.
Für Gläubige sind das keine Zufälle, sondern Beweise dafür, dass Gott Geschichte lenkt.
Aus historisch-kritischer Sichtweise und deren Prüfungen kommen verschiedene Fragen zum Vorschein:
Wurde die „Prophetie“ vielleicht erst nach dem Ereignis geschrieben oder bearbeitet (Rückdatierung)?
War das Ereignis so offen formuliert, dass man leicht eine Erfüllung hineinlesen kann?
Handelt es sich um zeitnahe politische Aussagen, die später umgedeutet wurden?
ABER:
Diese historisch-kritischen Fragen wie Rückdatierung, offene Formulierungen oder späte Umdeutung klingen zwar „wissenschaftlich“, sind aber selbst nicht tatsächlich beweisbar, sondern beruhen auf Annahmen, Hypothesen und Wahrscheinlichkeiten.
Die sogenannten Jesaja-Rolle aus Qumran (ca. 150 v. Chr.) enthält Jesaja 53 und ist mindestens 150 Jahre vor Jesus niedergeschrieben. Rückdatierung nach Jesus? → unbeweisbar.
Ja, historisch-kritische Fragen sind wichtig und sehr wertvoll, aber bleiben spekulativ. Was sie aber nicht können: eine Prophetie widerlegen. Zudem beweisen sie keine spätere Entstehung.
Jetzt kommt eine ehrliche und sehr offene Frage, die ich mir selbst gestellt habe!
Wurden wir belogen?
Nein, Christen wurden nicht belogen. Wenn wir uns wirklich mit der Tiefe der biblischen Texte beschäftigt, wird klar, dass Glaube nicht auf Täuschung, sondern auf Vertrauen, Erfahrung und durchdachter Überzeugung beruht.
Für mich bedeutet das insgesamt, dass historisch-kritische Ansätze verständlich machen wollen, wie Texte entstanden sind und das ist okay.
Aber, sie können den Glauben ansich nicht „widerlegen“, weil Glauben mehr ist als nur Textkritik im historisch-kritischen Zusammenhang. Denn der Glaube entsteht aus Erfahrung, Vertrauen, Beziehung und geistliche Echtheit.
Wer glaubt, tut das nicht blind.
Wer die Bibel ernst nimmt, sieht, dass sie durchzogen ist von tiefer, verwobener Wahrheit, die sich in Jesus Christus erfüllt.
Wer Gott erlebt, merkt: Das alles ist mehr als Theorie.
Christen wurden nicht belogen, vielmehr werden sie eingeladen, Teil einer Geschichte zu sein, die wahrscheinlich sehr viel größer ist als sie selbst.